Abfindungsvergleich

Was ist ein „Abfindungsvergleich“, eine Abfindungsvereinbarung oder Abfindungserklärung? Was bedeutet „Vorbehaltsverzicht“ und „ohne Präjudiz“? Wieviel Schmerzensgeld ist angemessen? Was ist mit Spätschäden?

Vergleich

Das Wort „Vergleich“ ist ein juristischer Begriff in § 779 BGB. Er meint eine Vereinbarung, mit der man einen Streit beendet. In Arzthaftungs- oder Schadenersatzsachen wird dann eine Abfindung gezahlt. Daher heißt der Vergleich in solchen Fällen auch Abfindungsvergleich, Abfindungsvereinbarung oder Abfindungserklärung.

Abfindungsvergleich „ohne Präjudiz“

„Ohne Präjudiz“ heißt „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“. Das heißt, dass der Gegner mit der Abfindung keine Pflichtverletzung anerkennen will. Er zahlt eben nur, um den Streit zu beenden. Der Zusatz ist für ihn sinnvoll, weil man sonst aus der bloßen Zahlung sein Anerkenntnis der Pflichtverletzung und womöglich weitere Ansprüche ableiten könnte.

Wieviel Schmerzensgeld?

Wieviel Schmerzensgeld angemessen ist, ist leider immer eine Frage des Einzelfalls. Lesen Sie dazu meine Unterseite „Schadenersatz„.

Vorbehaltsverzicht

„Vorbehaltsverzicht“ heißt, dass der Vergleich auch Ansprüche wegen künftiger Forderungen abgelten soll. Der Geschädigte könnte sich ja sonst weitere Forderungen wegen Spätschäden vorbehalten. Mit einem „Vorbehaltsverzicht“ soll klargestellt sein, dass der Geschädigte mit seiner Unterschrift auf einen solchen Vorbehalt wegen künftiger Schäden ausdrücklich verzichtet. In den Formularen der Haftpflichtversicherungen lesen Sie Formulierungen wie: „sonstige, gegenwärtige oder künftige Ansprüche, gleich ob bekannt oder unbekannt, vorhersehbar oder nicht vorhersehbar“.

Stellen Sie sich zum Beispiel vor, dass Sie bei einer fehlerhaften Hüftkopfprothesen-Implantation eine Beinverkürzung erlitten hätten. Sie erhalten eine Schmerzensgeldzahlung und erklären sich für vollständig abgefunden. Nach fünf Jahren werden Sie wegen Rückenschmerzen arbeitsunfähig. Schließlich erklärt Ihnen ein Orthopäde, dass Sie durch die Beinverkürzung nicht nur einen Beckenschiefstand erlitten haben, sondern sich inzwischen auch eine Fehlhaltung angewöhnt hätten. Dadurch hätten Sie nun noch einen Rückenschaden. Wenn Sie auf künftige Ansprüche verzichtet haben, bekommen Sie nichts mehr.

Deswegen behält man sich  Forderungen wegen künftiger Schäden am besten vor. Und diesen Vorbehalt versucht die Haftpflichtversicherung, Ihnen durch einen Vorbehaltsverzicht abzukaufen: Sie erhalten dafür vielleicht eine höhere Zahlung, müssen aber unterschreiben, dass Sie nie wieder an die Versicherung bzw. die Schädiger herantreten werden.

Bei einem solchen Vorbehaltsverzicht ist Vorsicht geboten. Denn Sie wissen nie, was sich aus der Schädigung noch entwickeln mag. Da Ihr Anwalt verpflichtet ist, stets den sichersten Weg zu empfehlen, kann er Ihnen einen Abfindungsvergleich mit Vorbehaltsverzicht theoretisch nie empfehlen. Aber einen Abfindungsvergleich ohne Vorbehaltsverzicht schließt die Haftpflichtversicherung meist nicht ab, so dass Sie vor der Wahl stehen entweder einen noch aufwändigen Rechtsstreit nur wegen der theoretischen Möglichkeit künftiger Schäden fortzuführen oder den Vorbehaltsverzicht zu „schlucken“

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Abfindungsvergleich

Risikoabwägung

Wie ein „Stop-Schild“ im Straßenverkehr bedeutet das kein Verbot weiterzufahren. Bevor Sie einen Abfindungsvergleich unterschreiben, sollten Sie gedanklich anhalten und gründlich die Risiken abwägen. Dann entscheiden Sie, wo Sie weiterfahren. So werden in der Praxis häufig Abfindungsvergleiche vereinbart. Denn es mag vielleicht der sicherste Weg sein, keinen Abfindungsvergleich zu schließen; dem Lebensrisiko angemessen ist dies aber meist nicht.

Denn selbst wenn Sie sich künftige Ansprüche vorbehalten, so verpflichtet sich der Schädiger nur, „dem Grunde nach“ Ersatz für den Folgeschaden zu leisten, der Ihnen aus dieser Schädigung entsteht. Das bedeutet zwar, dass eine Fehlbehandlung feststeht. Aber wenn der Folgeschaden auftritt, müssten Sie immer noch beweisen, dass auch dieser – vielleicht erst nach Jahren auftretende – Folgeschaden ursächlich zurückzuführen ist auf jene Fehlbehandlung und nicht nur eine Komplikation.

Wie immer Sie sich entscheiden, Ihnen muss bewusst sein, dass ein Abfindungsvergleich mit Vorbehaltsverzicht immer eine Risikoentscheidung ist. Und es bleibt Ihre Entscheidung, ob Sie dieses Risiko in Kauf nehmen wollen oder nicht. Lassen Sie sich im Zweifel dazu medizinisch beraten!