Schadenersatz

Was heißt Schadenersatz für einen Behandlungsfehler? Wie hoch ist ein Schmerzensgeld? Welche finanziellen Schäden werden ersetzt? Was ist mit Folgeschäden? Was ist ein „Hinterbliebenengeld“?

Bis zu einem gewissen Grad können Sie die Anmeldung dieser Ansprüche ohne anwaltliche Hilfe selbst vorbereiten. Sie können ein Gedächtnisprotokoll schreiben, Behandlungsfehler medizinisch prüfen lassen, Belege sammeln (siehe Behandlungsfehler – was tun?). Aber bei der Bezifferung der Ansprüche und spätestens bei einem Abfindungsvergleich sollten Sie sich von einem Patientenanwalt helfen lassen. Zumal die Gegenseite sich im Rahmen der Schadenregulierung auch entsprechend an den Anwaltskosten beteiligen muss.

Schmerzensgeld

Schmerzensgeldrecht ist und bleibt „Richterrecht“, also immer eine Frage des Einzelfalls. Denn in Deutschland gibt es keinen gesetzlichen Katalog, in dem man nachsehen könnte, wieviel Schmerzensgeld ein verlorenes Bein vor Gericht bringt. Einzelne Zeitungsartikel über bestimmte Schmerzensgeldurteile sind meist unbrauchbar. Denn Zeitungsberichte beschreiben oft gar nicht hinreichend die genauen Folgen für den Geschädigten und inwieweit ein Behandlungsfehler dafür nachweislich ursächlich war. Wohl aber gibt es Datenbanken mit Einzelfallentscheidungen. Dabei sollte man darauf achten, dass in den Datenbanken nicht nur die Verletzung erwähnt wird, sondern insbesondere Art und Dauer der Folgen beschrieben werden. Diese zwei kostenlosen Datenbanken finde ich brauchbar:

-> schmerzensgeld.info oder beim
-> Oberlandesgericht Celle

Wofür gibt es das Schmerzensgeld?

Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll der Geschädigte einer Körperverletzung also eine „billige“ Entschädigung in Geld erhalten. Während der Gesetzgeber mit dem Wort „billig“ dessen ursprüngliche Bedeutung „gerecht“ gemeint hat, empfinden viele Geschädigte die Entschädigung tatsächlich eher im umgangssprachlichen Sinne als „billig“. Was soll man davon halten, wenn für Kinder, die in Folge eines fehlerhaften Geburtsvorgangs eine Schulterdystokie erleiden, in deren Folge ein Arm ein Leben lang lahm bleibt, Schmerzensgelder um die 60.000 EUR ausgeurteilt werden? Oder wenn die Gerichte in Folge einer behandlungsfehlerhaften Beinverkürzung um 2,5 cm bei einer 60jährigen Geschädigten ein Schmerzensgeld von 5.000,00 EUR für angemessen halten oder für eine Woche Arbeitsunfähigkeit nach einem Auffahrunfall ein Schmerzensgeld von 300 bis 500 EUR? Geld wird nie gesundheitliche Schäden, Schmerzen, Behinderungen „ersetzen“ können. Aber wie sollte man es anders regeln als durch eine Zahlung von Geld.

Daneben hat das Schmerzensgeld auch eine „Genugtuungsfunktion“. Die Aufarbeitung der Behandlungsfehlervorwürfe bietet bereits eine Art von Genugtuung. Durch eine Schmerzensgeldzahlung erhält diese über die bloßen Worte hinaus auch eine gewisse Bedeutung oder Ernsthaftigkeit.

Schadenersatz für Vermögensschäden

Als Vermögensschaden sind grundsätzlich alle finanziellen Schäden zu ersetzen, die Sie durch die Schädigung erleiden. Praktisch bedeutsam sind meist ein Verdienstausfall, ein Haushaltführungsschaden und Ihre Anwaltskosten.

Verdienstausfall

Der Verdienstausfall wird praktisch bedeutsam, wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als sechs Wochen dauert. Dann ist der Arbeitgeber nicht mehr zur Entgeltfortzahlung verpflichtet, sondern die Krankenversicherung mit dem geringeren Krankengeld. Die Differenz zum normalen Nettolohn ist der Verdienstausfall.

Haushaltführungsschaden

Als Haushaltführungsschaden sind die Kosten für eine Haushaltshilfe zu ersetzen für die Arbeiten im Haushalt, die man selbst in Folge der Schädigung nicht mehr leisten kann. Das gilt auch, wenn man tatsächlich keine Haushaltshilfe beschäftigt. Selbst bei einem maßvollen Ansatz von 10,00 EUR/Stunde ergeben sich über längere Zeiträume erhebliche Beträge. Dazu sollte man eine Art Wochenstundenplan schreiben und markieren, zu welchen Arbeiten man nicht mehr in der Lage ist.

andere finanzielle Schäden (z.B. Mehraufwändungen, Anwaltskosten)

Neben den Anwaltskosten werden die größten Kosten, nämlich die einer Nachbehandlung oder Revisionsoperation meist von den Krankenversicherungen getragen, und spielen deswegen meist im Verfahren des Geschädigten keine Rolle. Auch Fahrtkosten, Telefonkosten oder Kosten für Medikamente fallen meist erst dann ins Gewicht, wenn sie in großer Zahl anfallen.

Der Ärger und die Zeit, die Sie für die Schadenabwicklung persönlich aufwänden, sind kein Vermögensschaden. Sie werden nicht ersetzt.

Schadenersatz wegen Folgeschäden

Möglicherweise stellt sich nach mehreren Jahren heraus, dass es noch Folgeschäden gibt, die sich erst langsam oder überraschend entwickeln (es wird z.B. doch noch eine Revisionsoperation notwendig). Dann stellt sich die Frage nach der Verjährung.

Und bei Schmerzensgeldzahlungen gilt folgende Besonderheit: Ein Schmerzensgeld deckt nicht nur die vergangenen Beeinträchtigungen ab und den bekannten künftigen Zustand, sondern auch bloße Risiken, die nach dem medizinischen Sachstand für die Zukunft als vorhersehbar gelten.

Nehmen wir zum Beispiel an, durch einen Behandlungsfehler muss nach einer minimalinvasiven Blinddarmoperation anschließend noch einmal offen nachoperiert werden. Dann haben Sie statt der drei kleinen Narben von der Laparoskopie nun als zusätzlichen Schaden eine große Narbe quer über den Bauch. Die Narbe ist sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft bekannt. Aber vielleicht besteht nun auch das Risiko, dass Sie in Zukunft einen Darmverschluss erleiden. Oder mehrere. Ein vereinbartes/ausgeurteiltes Schmerzensgeld gilt grundsätzlich auch ein solches, bekanntes Risiko ab, egal ob es sich in Zukunft einmal oder mehrfach noch verwirklicht. Das kann zu Ungerechtigkeiten führen.

Man kann versuchen, sich weiteres Schmerzensgeld vorzubehalten für den Fall, dass sich Risiken verwirklichen. Dann muss man das im Abfindungsvergleich aushandeln oder im Prozess seinen Schmerzensgeldantrag entsprechend formulieren. Damit bekommt man aber entsprechend weniger jetzt. Und bei Verwirklichung eines Risikos müsste man wieder an die Gegenseite herantreten und darüber streiten, ob es sich überhaupt um einen Folgeschaden handelt. Haftpflichtversicherungen lassen sich daher nur selten freiwillig darauf ein. Und praktisch stellt sich oft das Problem, welche Risiken man ausklammern will und wie genau man sie sprachlich überhaupt fassen kann.

Hinterbliebenengeld

Mit Wirkung zum 22.07.2017 hat der Gesetzgeber ein sogenannten „Hinterbliebenengeld“ eingeführt. Dies gilt für „Hinterbliebene“, die zum Getöteten in einem besonderen Näheverhältnis standen, § 844 Abs. 3 BGB. Bislang erbten Angehörige allenfalls den (fremden) Schmerzensgeldanspruch des Getöteten. Oder Sie hatten (eigene) Ansprüche wegen Vermögensschäden (z.B. wegen Unterhaltsansprüchen). Zur Höhe des Hinterbliebenengeldes hat der Gesetzgeber nichts gesagt. Es bleibt abzuwarten, wie die Rechtsprechung die Anspruchshöhe bestimmen wird. In der Gesetzesbegründung wurde der mögliche „Schaden“ für die Versicherungswirtschaft jedenfalls mit 10.000 EUR je Hinterbliebenem berechnet.

Mit Urteil vom 17.05.2019 erkannte beispielsweise das Landgericht Tübingen auf ein Hinterbliebenengeld von 12.500 EUR für die Witwe, 7.500 EUR je Kind und 5.000 EUR für den Bruder des Verstorbenen.

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Schadenersatz

 

„Ist wegen der Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadenersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.“

§ 253 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch